Gamification: Können Spielelemente die universitäre Lehre bereichern?

By David Vignoni (http://icon-king.com) [LGPL (http://www.gnu.org/licenses/lgpl.html)], via Wikimedia Commons
By David Vignoni (http://icon-king.com) [LGPL (http://www.gnu.org/licenses/lgpl.html)], via Wikimedia Commons
Ob Bonuspunkte für Einkäufe im Supermarkt, Monopoly in der Fastfood-Kette oder der Vielflieger-Status bei Fluggesellschaften, Gamification gibt es überall. Viele Unternehmen nutzen das Prinzip z.B. für Marketing oder Kundenbindung. Der Begriff Gamification bezeichnet die Integration und Nutzbarmachung von Spielelementen in spielfremden Kontexten. Solche Spielelemente sind beispielsweise

  • Wettkampf (z.B. über Highscores oder Fortschrittsanzeigen),
  • Story (z.B. die Einbettung von Aufgaben in eine Rahmenhandlung),
  • Auszeichnungen/Reputation (z.B. Badges für einen erreichten Status),
  • Challenges/Quests (z.B. eine Aufgabe innerhalb des Countdowns schaffen),
  • Belohnungen (z.B. Bonusinhalte).

Die Einbindung von Spielelementen ist für Lehrende natürlich keine neue Methode. Im Gegenteil: Spielelemente haben bereits seit Jahrzehnten einen Platz in der schulischen Bildung. Wer kennt nicht Spiele wie Bankrutschen zum Trainieren von Grundrechenarten und Vokabeln oder hat in der Grundschule Bienchen für gut gelöste Lernaufgaben gesammelt? Neu ist, dass sich die Spielelemente stark an Computerspielen orientieren und dass sie Einzug in allen Bildungsbereichen halten – auch an der Hochschule.
Die Zielstellung der Verwendung von Spielelementen in der Lehre ist die gleiche, wie schon hinsichtlich des Game-based Learnings beschrieben, die Steigerung der Motivation der Lernenden und damit der kognitiven und zeitlichen Intensität der Beschäftigung mit Lerninhalten. Tatsächlich scheint der Ansatz zu funktionieren (vgl. die Studie von Hamari, J., Koivisto, J., & Sarsa, H. (2014). Does Gamification Work? – A Literature Review of Empirical Studies on gamification. In proceedings of the 47th Hawaii International Conference on System Sciences, Hawaii, USA, January 6-9, 2014). Der große Vorteil von Gamification im Gegensatz zu Game-based Learning ist, dass sich einzelne Spielelemente mit deutlich geringerem Aufwand in die Lehre implementieren lassen, als vollständige Spiele. Die Nutzungsmöglichkeiten sind vielfältig. Im Folgenden werden drei einfache Möglichkeiten der Implementierung von Spielelementen in unterschiedlichen Lehrformaten beschrieben:

Ziel: Aktivierung von Vorwissen in der Vorlesung
Bei Vorlesungen mit 100 oder mehr Studierenden ist Bankrutschen keine probate Option. Dennoch gibt es Möglichkeiten des spielerischen Einstiegs in die Veranstaltung beispielsweise mittels der Nutzung eines Audience Response Systems. An der MLU steht hierfür ARSnova zur Verfügung (mehr Infos zu ARSnova im LLZ-Blog). Das Vorgehen ist wie folgt: Im Vorfeld bereitet der Lehrende in ARSnova Fragen mit unterschiedlichen Antwortoptionen vor. Diese können die Studierenden dann in der Veranstaltung mit ihrem Smartphone, Tablet oder Notebook anonym beantworten. Die Antwortstatistik gibt den Studierenden sofortiges Feedback über das Antwortverhalten der Kommilitonen. Der Lehrende bekommt eine Rückmeldung über das vorhandene Vorwissen und kann auf eventuelle Wissenslücken eingehen.

Ziel: Motivation der Studierenden bei der kooperativen Erarbeitung von Inhalten in Online-Phasen
Die Möglichkeiten des kooperativen Arbeitens im ILIAS-Wiki sind bereits im LLZ-Blog beschrieben worden. Die Bewertungsfunktion des Wikis ist ein klassisches Beispiel für Gamification. Mittels der Vergabe von Sternchen können die Studierenden Wiki-Seiten ihrer Kommilitonen hinsichtlich verschiedener Kriterien – die der Lehrende im Vorfeld festlegen kann – beurteilen.

Ziel: Motivation der Studierenden in Seminaren, implizite Steuerung von Lernprozessen
Eine interessante Idee zur nicht-digitalen Gamification einer Veranstaltung stellt Christian Spannagel in seinem Blog vor. Er teilte die Teilnehmer eines Workshops zum „Flipped Classroom“ in zwei Gruppen auf. Jeder Teilnehmer erhielt einen Geheimauftrag, den er vor Abschluss des Workshops erfüllen sollte. Die Gruppe mit den meisten erfüllten Aufträgen gewann. Es gab nicht nur inhaltlich zur Veranstaltung passende Aufträge (z.B. „Überzeuge einen anderen Workshop-Teilnehmer davon, dass der Flipped Classroom gerade in seiner Disziplin besonders gut passt.“), sondern auch Spaß-Aufträge (z.B. „Bringe in einer Plenumsrunde das Sprichwort “Das Leben ist kein Wunschkonzert” ein, ohne dass es auffällig wirkt.“) und Aufträge zur Vernetzung der Teilnehmer (z.B. „Sammle mindestens drei Visitenkarten von anderen Workshop-Teilnehmern ein.“). Es ist zu vermuten, dass eine solche Idee auch prima in einem Seminar mit Studierenden funktioniert. Über inhaltliche Aufgaben ließe sich beispielsweise der Fokus eventuell auch der Ablauf einer geplanten Diskussion steuern, ohne dass der Lehrende explizit eingreifen muss.

Ein Tipp zum Schluss für diejenigen, die sich vertiefend mit der Thematik Gamification auseinandersetzen wollen: Am 17.03.2014 startet der kostenfreie MOOC „Gamification Design“ auf Iversity.

open@LLZ #3 | Impressionen

Zum dritten Mal ludt das LLZ am 27. Februar zur Veranstaltungsreihe open@LLZ ein. Diesmal konnten wir Dr. Scott P. McDonald begrüßen, der zur Zeit als Gastprofessor der  Erziehungswissenschaften an der Uni Halle weilt. Der Lehrerbildungs-Experte von der Pennsylvania State University stellte sein Konzept innovativer Lernumgebungen vor. Im Anschluss gab es Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch sowie zum Testen unterstützender Medientechnologien, u. a. verschiedener Videokonferenzsysteme, Visualizer, Whiteboard.

Hier finden Sie die Folien zum Vortrag von Dr. Scott P. McDonald.

MOOC – Statistik

An der Harvard University wurde eine umfassende Statistik zu den eigenen kostenlosen und frei zugänglichen Onlinekursen (MOOC) veröffentlicht. Laut Harvard haben sich bis zum 23.02.14 1.084.980 Personen aus 193 Ländern für einen ihrer Kurse eingeschrieben.

Die Teilnehmerstatistiken werden auf Online-Karten visualisiert und zeigen die Herkunftsländer dieser an. So kann man auf einen Blick erkennen, dass 18.432 Personen aus Deutschland sich für einen MOOC an der Harvard University registriert haben. Diese machen 1,7% der Gesamteinschreibungen aus. Diese Zahl sagt allerdings nichts zu den Erfolgsquoten der Teilnehmer aus.

Die interaktive Karte bietet über ein Auswahlmenü eine detaillierte Datenauswahl, z.B. nach Semestern oder nach Kursen an.

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Die 3. Inverted Classroom Konferenz in Marburg

Geisteswissenschaftliche Fakultät der Philipps-Universität Marburg
Geisteswissenschaftliche Fakultät der Philipps-Universität Marburg

In der vergangenen Woche fand zum dritten Mal die Inverted Classroom Konferenz an der Philipps-Universität Marburg statt. Eröffnet wurden beide Veranstaltungstage durch Prof. Dr. Jürgen Handke.

Am 25. Februar lag der Schwerpunkt auf der Anwendung des Inverted Classroom Models im Schulbereich. Neben mehreren Workshops für Lehrer zu den Themen Video- und Screencastproduktion sowie Umgang mit Interaktivem Whiteboards, gab Dirk Weidmann einen Einblick in seine Erfahrung zum Einsatz ICM-basierter Unterrichtseinheiten im Fremdsprachenunterricht. Das Besondere an seinem Unterrichtskonzept besteht u.a. darin, dass die kurzen Videos für die Selbstlernphasen von den Schülern in Gruppenarbeit selbst erstellt wurden sind.

Begrüßung durch den Organisator Prof. Dr. Jürgen Handke
Begrüßung durch den Organisator Prof. Dr. Jürgen Handke

Am zweiten Tag wurden auf der offiziellen akademischen Konferenz in verschiedenen Vorträgen und Workshops vor allem Einsatzszenarien in der Hochschullehre diskutiert. Dabei wies Dr. Angela Peetz, E-Learning-Beauftragte der Universität Hamburg, u.a. auch auf politische Herausforderungen bei der Umsetzung von Online-Lehrangeboten an einer Präsenzuniversiät hin. Aus der Perspektive eines Lehrenden berichtet Prof. Dr. Jens Dittrich von seiner „umgedrehten“ Informatikvorlesung mit dem Fazit, dass er noch weiter mit dem Konzept des Inverted Classrooms experimentieren möchte und daraus trotz einiger Herausforderungen (z.B. Durchführung des aktiven Plenums und die Beteiligung der Studierenden) gute Anstöße zur Veränderung seiner eigenen Lehre gezogen hat.

Themenfelder der Wokshops waren neben Tipps und Tricks zum Inverted Classroom Model sowie der Mastery Komponente (d.h. Einsatz formativen Assessments), mobiles Lernen mit Tablets sowie der Einsatz studentischer Tutoren im ICM.

Im „Gallery Walk“ konnten sich die Konferenzteilnehmer während der Mittagspause über weitere Projekte informieren. Dabei stellten sich u.a. der Virtual Linguistic Campus, das virtuelle Zentrum für Lehrerbildung und die Lern- und Forschungswerkstatt des Instituts für Schulpädagogik der Philipps-Universität vor.

Den Abschluss der diesjährigen Inverted Classroom Konferenz bildete der Vortrag von Prof. Dr. Jörn Lovischach (FH Bielefeld) zum Thema „Digitale Beschulung ist noch keine Bildung“, in welchem u.a. die Bedeutsamkeit einer sinnvollen Kombination von Präsenz- und Online-Lernphasen hervorgehoben wird.

Weitere Infos zum „umgedrehten Unterricht“ sowie ein kurzer Bericht über die Konferenz in Marburg im Jahr 2013 finden Sie hier.

Game-based Learning: Geschäftsprozessoptimierung mit dem Simulationsspiel Innov8

Screenshot vom Spiel: Ich versuche den Prozess der Bearbeitung von Anrufen zu optimieren (http://www-01.ibm.com/software/solutions/soa/innov8/innov8game.jsp)
Screenshot vom Spiel: Ich versuche den Prozess der Bearbeitung von Anrufen zu optimieren (http://www-01.ibm.com/software/solutions/soa/innov8/innov8game.jsp).

Innov8 wurde von IBM entwickelt. Vom Firmennamen braucht man sich nicht abschrecken lassen: Direkte Produktwerbung gibt es erst nach Abschluss des Spiels. Nach einer Registrierung kann es kostenfrei online gespielt werden. Der Inhalt ist schnell erzählt: Der Spieler muss für eine virtuelle Firma Geschäftsprozesse modellieren und optimieren. Das Spiel eignet sich daher besonders für Studierende der BWL und Wirtschaftsinformatik.

Es gibt insgesamt drei Themenbereiche: In „Smarter Traffic“ geht es um die Optimierung von Verkehrsflüssen, bei „Smarter Customer Service“ steht die Optimierung des Prozesses der Bearbeitung von Kundenanrufen in einem Call-Center im Fokus und in „Smarter Supply Chains“ die Optimierung der Wertschöpfungskette in einem Unternehmen.

Videotutorials führen in die jeweilige Aufgabe ein und bilden einen narrativen Rahmen für das Spiel. Unterschiedliche Non-Player-Charakter beraten den Spieler und vermitteln die für die jeweiligen Entscheidungen relevanten Inhalte. Verändert der Spieler einzelne Parameter, so kann er mittels einer Simulation sofort die Auswirkungen seiner Entscheidungen auf die Rentabilität, die Kundenzufriedenheit und die Umwelt überprüfen.

Während des Spielens gibt es für jede gelöste Aufgabe Punkte. Etwas schade ist hierbei, dass man seinen Highscore erst nach Abschluss des Spiels mit den anderen Spielern vergleichen kann. Die Verfasserin dieses Artikels erreichte bei ihrem ersten Spiel im Call-Center insgesamt knapp 20.000 Punkte. Obwohl ihr in den einzelnen Aufgaben mit grünen Erfolgsbalken und lobenden Worten ein erfolgreiches Abschneiden suggeriert wurde, musste sie am Ende enttäuscht feststellen, dass erst eine Verdoppelung der Punktzahl einen Platz in den oberen Highscore-Rängen ermöglicht hätte. Eine Vergleichsmöglichkeit mit den besten Ergebnissen aus dem Highscore nach unterschiedlichen Stationen des Spiels würde die Selbsteinschätzung deutlich erleichtern und konkretere Anhaltspunkte für Verbesserungspotential aufzeigen.

Dennoch: Innov8 eignet sich als spielerischer Einstieg in die Optimierung von Geschäftsprozessen und motiviert sogar zum mehrmaligen Spielen (Irgendwie muss dieser Highscore doch zu knacken sein!). Insgesamt bekommt man jedoch relativ wenig Feedback auf die Bearbeitung der Aufgaben. Erklärungen für unterschiedliche Simulationsergebnisse muss der Spieler selbst finden, im Spiel werden solche Hintergrundinformationen nicht gegeben. Die gezielte Einbindung in eine Lehrveranstaltung – einschließlich einer Reflektion der Spielentscheidungen und -ergebnisse – ist daher sehr empfehlenswert.