Fragen nach dem Aufwand für die Erstellung multimedialer Lehrinhalte sind differenziert zu betrachten. Wer neu einsteigt hat zunächst einige Arbeitspakete vor sich: Kompetenzen aneignen (z.B. Schulungen besuchen), Lehrkonzepte überarbeiten (und sich z.B. beraten lassen), eigene Inhalte überprüfen, digitalisieren und zur Verfügung stellen, die Studierenden einbeziehen und laufend motivieren, Feedback einsammeln und vielleicht auch die Lehrevaluation neu ausrichten. Zwar kann man diese Aufwände zeitlich staffeln oder abstufen und natürlich sind die meisten Teile dieser Aufwände auch in der „Präsenzwelt“ notwendig, aber im Kern bedeutet „Blended Learning“ zumindest am Anfang einen höheren zeitlichen Aufwand, als man es aus der reinen Präsenzlehre bislang gewohnt war.
Andererseits winken auch Entlastungen, etwa bei der Bewertung und Korrektur studentischer Arbeiten oder bei der administrativen Steuerung des Kurses über Foren und Gruppen. Zudem können die Kurse mit ihren mühsam erstellten Inhalten komplett kopiert und für das neue Semester übernommen werden. Langfristig sinkt also der Aufwand. Zur Haben-Seite zählen dann in der Regel (allerdings nicht automatisch!) auch eine höhere Studierendenzufriedenheit, Studienmotivation und mit Blick auf die didaktische Überarbeitung hoffentlich auch ein höherer Studienerfolg (wobei eine exakte Messung im Semestervergleich nicht ganz einfach ist). Die Abwägung von Aufwand und Nutzen muss jeder für sich selbst vornehmen, vielleicht ist ein Blick in die eigene Lehrveranstaltungsevaluation der Präsenzlehre schon ein erster Anhaltspunkt.
Serviceeinrichtungen der Hochschulen unterstützen Lehrende in diesem Prozess von der Konzeption bis zur Umsetzung eines Blended-Learning-Konzeptes, einer Online-Prüfung oder der Aufzeichnung und Bereitstellung von Vorlesungsaufzeichnungen. Allerdings immer im Sinn einer Hilfe zur Selbsthilfe, die komplette Erstellung eines Online-Kurses kann wegen der sehr vielen, gleichzeitigen Projekte einer Hochschule nicht zu den Service-Aufgaben gehören. Zudem ist es originäre Aufgabe der Lehrenden, das eigene Angebot stets kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
In den Beratungsgesprächen erfahren Lehrende übrigens auch, an welchen Stellen sich Mehraufwand wirklich lohnt, was man im Zweifel zeitlich verschieben kann und wie man manchmal auch auf anderen, weniger arbeitsaufwändigen Wegen zum gleichen Ziel gelangen kann. Diese Ziele für sich selbst zu formulieren wäre der erste Schritt.
Teil 7 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6)
Foto: Tim Reckmann, (CC 2.0, by nc)
Ein Gedanke zu „Blended-Learning: ein zu großer Aufwand für Lehrende?“