Europas OER-Initiative

OEE logoIn Schweden nutzen 30.000 Lehrerinnen und Lehrer die Austauschplattform Learnify und haben dort ca. 100.000 OER-Materialien zur Verfügung. Das sind ca. 25 Prozent aller schwedischen Lehrkräfte (Blog). In Deutschland gibt es ca. fünfmal so viele Lehrerinnen und Lehrer wie in Schweden (mehr als 600.000), aber bis auf einige wenige OER-Initiativen kaum Inhalte. Das Whitepaper von Felix Schaumberg, Jöran Muuß-Mehrholz und Mirjam Bretschneider vom März 2012 ist hier eher ernüchternd.
Noch schwieriger als bei den Schulen sieht es im Hochschulbereich aus, denn der MOOC-Begeisterung des vergangenen Jahres ist inzwischen eher die realistische (und keineswegs neue) Erkenntnis gefolgt, dass qualitativ hochwertige Kurse auch einen erheblichen Erstellungsaufwand erfordern, vom nachhaltigen Betreuungsaufwand gar nicht erst zu reden. Und dass es für Hochschullehrer derzeit kaum Anreize gibt, neben den Lehrleistungen für die eigenen Studierenden auch öffentliche Lehrleistungen anzubieten.

Unter „Open Educational Resources“ (OER) versteht man rechtlich geschützte Lehr- und Lernmaterialien, die für Lehr- und Lernzwecke jedoch frei (ohne Bezahlung) genutzt, verändert und kopiert werden können. Die deutsche Urheberrechtsproblematik, die umkämpften Sonderprivilegien für Schulen und Hochschulen (§52a UrhG) und nicht zuletzt die kleinteilige Schulbuchpolitik der Länder (und Verlage) sind gewichtige Gründe für diese Situation, aber nicht allein. Denn obwohl niemand daran gehindert wird, OER zu erstellen und zu verbreiten, geschieht es viel zu wenig.

Und hier lohnt ein Blick zur Europäischen Union. Das vor knapp sechs Monaten gestartete Portal Open Education Europa (http://www.openeducationeuropa.eu/) soll die OER-Idee europaweit voranbringen und vor allem offene Bildungsressourcen für Schulen, Hochschulen und berufliche Bildung sammeln und auffindbar gestalten, darüber hinaus aber auch eine Community aufbauen und der Politik Handlungsempfehlungen geben. Das Vorhaben beruht auf einer Initiative der Europäischen Kommission, das auch von neu gestalteten Förderprogrammen Erasmus+, Horizon 2020 und dem europäischen Strukturfond flankiert wird.

Das Portal bietet bereits jetzt eine Vielzahl an Ressourcen in den verschiedenen europäischen Sprachen an (520 Kurse, 515 MOOCs, 545 einzelne Lerninhalte), wobei die Datenbank leider nicht die schnellste ist. Die erweiterte Suche bietet deutlich mehr Selektionsmöglichkeiten, unter anderem Sprachauswahl, Art der Bildungseinrichtung, Art der Ressource, Anbieter, Lizenzform, Veröffentlichungsdatum usw. Es dominieren Englisch (aus nachvollziehbaren Gründen), Spanisch, Italienisch und Französisch, danach erst kommen deutschsprachige Inhalte. Weitere Filter wie „Higher Education“ und ein Filter nach Wissenschaftszweig zeigen schnell die deutsche Situation: Hier werden z.B. für den Bereich „Higher Education“ 22 MOOCs (davon 11 von Iversity), 24 Kurse und 57 Lerneinheiten gelistet. Und eine fachliche Einschränkung nach „Social Science“ oder „Humanities“ findet nur noch 17 bzw. 15 Einträge an MOOCs, Kursen oder Lerneinheiten, diese überschneiden sich zudem weitestgehend und umfassen zum Teil auch noch eher randständige Themengebiete.
Nun ist dies keine Kritik am Vorhaben der Bündelung und zentralen Verbreitung, im Gegenteil. Es verweist eher nochmals eindringlich darauf, dass Inhalte fehlen (oder auf den verschiedensten Plattformen weiterhin verstreut angeboten werden).

Wie kann OER langfristig gefördert werden? In Vorbereitung auf die künftige EU-Politik werden Empfehlungen auch für den Hochschulbereich diskutiert:

  • direkte EU-Förderung der Contentproduktion,
  • Veränderungen in Akkreditierungs- und Qualitätssicherungsverfahren,
  • standardisierte Lehrpläne für ausgewählte BA-Studiengänge,
  • Weiterbildung von Lehrenden in rechtlichen Fragen zum geistigen Eigentum,
  • Forschung zu OER.

Zur Beteiligung sind alle Interessierte eingeladen, die Seite listet auch die kommenden Konferenzen, Projekte und veröffentlichten Texte auf. Eine Registrierung ist erforderlich.

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