Für die Studieneingangsphase sind Selbstlernkurse ungeeignet?

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Foto: Yohann Aberkane (CC by nc nd 2.0)

Im Gegenteil. Gerade in der Studieneingangsphase eignet sich onlinegestützte Lehre als Einführungs-, Brücken- oder Vorkurs ganz besonders, um die teils sehr unterschiedlichen Studieneingangsvoraussetzungen der Erstsemester auf ein weitgehend einheitliches Niveau zu heben. Zeitliche und räumliche Flexibilität, selbstbestimmte Lerngeschwindigkeit, die Möglichkeit der Wiederholung, Lernfortschrittskontrolle und für den jeweiligen Lernstand die passenden Materialien können gerade bei größeren Studierendengruppen sehr gut mit Online-Angeboten realisiert werden. Das ändert allerdings nichts am Aufwand für die Ersterstellung und die Notwendigkeit einer z.B. tutoriellen Begleitung und weiterer Angebote. Auch mit dem besten Lernmaterial entstehen Rückfragen, die nur zum Teil über Peer-Foren oder Q&A-Blöcke abgefangen werden können. Eine regelmäßige Sprechstunde in Seminarform als offene Fragerunde oder, z.B. für die Mathematik, für Übungen in Gruppenarbeit, kann dabei entweder in Präsenz oder ebenfalls online in der Lernplattform unterstützend wirken.
Ob sich der zeitliche und personelle Aufwand am Ende „rechnet“ ist von vielen Faktoren abhängig: Studierendenanzahl, Umfang der Lernmaterialien, Konzeption der Kurse, Diversität der Kompetenzniveaus, Lernerfolg im späteren Verlauf des Studiums, Veränderung der Abbrecherquoten und vieles mehr. Fest steht aber auch, dass bei den grundlegenden Einführungen relativ geringer inhaltlicher Änderungsbedarf im Folgejahr entsteht, so dass die Erstellungsaufwände überschaubar bleiben.
Erfahrungen z.B. mit Mathe-Brückenkursen stimmen optimistisch, wie dieser umfangreiche Sammelband zeigt.

Teil 8 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7)
Foto: Yohann Aberkane (CC by nc nd 2.0)

 

Blended-Learning: ein zu großer Aufwand für Lehrende?

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Foto: Tim Reckmann, CC 2.0 by nc

Fragen nach dem Aufwand für die Erstellung multimedialer Lehrinhalte sind differenziert zu betrachten. Wer neu einsteigt hat zunächst einige Arbeitspakete vor sich: Kompetenzen aneignen (z.B. Schulungen besuchen), Lehrkonzepte überarbeiten (und sich z.B. beraten lassen), eigene Inhalte überprüfen, digitalisieren und zur Verfügung stellen, die Studierenden einbeziehen und laufend motivieren, Feedback einsammeln und vielleicht auch die Lehrevaluation neu ausrichten. Zwar kann man diese Aufwände zeitlich staffeln oder abstufen und natürlich sind die meisten Teile dieser Aufwände auch in der „Präsenzwelt“ notwendig, aber im Kern bedeutet „Blended Learning“ zumindest am Anfang einen höheren zeitlichen Aufwand, als man es aus der reinen Präsenzlehre bislang gewohnt war.
Andererseits winken auch Entlastungen, etwa bei der Bewertung und Korrektur studentischer Arbeiten oder bei der administrativen Steuerung des Kurses über Foren und Gruppen. Zudem können die Kurse mit ihren mühsam erstellten Inhalten komplett kopiert und für das neue Semester übernommen werden. Langfristig sinkt also der Aufwand. Zur Haben-Seite zählen dann in der Regel (allerdings nicht automatisch!) auch eine höhere Studierendenzufriedenheit, Studienmotivation und mit Blick auf die didaktische Überarbeitung hoffentlich auch ein höherer Studienerfolg (wobei eine exakte Messung im Semestervergleich nicht ganz einfach ist). Die Abwägung von Aufwand und Nutzen muss jeder für sich selbst vornehmen, vielleicht ist ein Blick in die eigene Lehrveranstaltungsevaluation der Präsenzlehre schon ein erster Anhaltspunkt.
Serviceeinrichtungen der Hochschulen unterstützen Lehrende in diesem Prozess von der Konzeption bis zur Umsetzung eines Blended-Learning-Konzeptes, einer Online-Prüfung oder der Aufzeichnung und Bereitstellung von Vorlesungsaufzeichnungen. Allerdings immer im Sinn einer Hilfe zur Selbsthilfe, die komplette Erstellung eines Online-Kurses kann wegen der sehr vielen, gleichzeitigen Projekte einer Hochschule nicht zu den Service-Aufgaben gehören. Zudem ist es originäre Aufgabe der Lehrenden, das eigene Angebot stets kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.
In den Beratungsgesprächen erfahren Lehrende übrigens auch, an welchen Stellen sich Mehraufwand wirklich lohnt, was man im Zweifel zeitlich verschieben kann und wie man manchmal auch auf anderen, weniger arbeitsaufwändigen Wegen zum gleichen Ziel gelangen kann. Diese Ziele für sich selbst zu formulieren wäre der erste Schritt.

Teil 7 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6)
Foto: Tim Reckmann, (CC 2.0, by nc)

Statt in eine Lernplattform lieber in zusätzliche Lehrkräfte investieren?

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Illustration: Frits Ahlefeldt (CC 2.0, by nc nd)

Was aus Sicht eines einzelnen Studiengang oder eines kleineren Instituts durchaus nachvollziehbar ist, verliert im Maßstab einer Universität mit mehr als 1000 Lehrenden seine Schlagkraft. Im Gegenteil: Wenn die potentielle, zentrale Unterstützung aller Lehrenden wegfällt, wären deutlich mehr Lehrende und Studierende betroffen, als im umgekehrten Fall profitieren könnten.
Man muss sich nur einmal vorstellen, was es für die Arbeit einer Universität bedeutet, wenn z.B. plötzlich das Internet nicht mehr „aus der Wand“ kommt. Was heute oft als selbstverständlich vorausgesetzt wird, erfordert in Wirklichkeit jede Menge Aufwand, der aber kaum sichtbar ist. Dies geht im Grunde allen Dienstleistungen so, deren Inanspruchnahme nicht mit einer direkten Rechnung verbunden ist. Es gilt für Softwaredienste, Beratungs- und Unterstützungsleistungen oder eben auch für eine Supportstruktur, die man gegenwärtig vielleicht nur selten in Anspruch nimmt und daher grundsätzlich für verzichtbar hält. Vieles ist aber heute (allein technisch) nicht mehr aus eigener Kraft zu leisten, was gerade zu Semesterstart regelmäßig überraschend festgestellt wird. Selbst eine Lernplattform funktioniert nicht von alleine, zumindest nicht lange.
Ohne leistungsfähige Infrastruktur für Technik, Support und Beratung sind heute Lehre, Studium und Forschung kaum möglich, auch wenn diese Bedeutung im Alltag oft aus dem Blick gerät. Im Kern sind es Basisleistungen einer Universität mit Einfluss auf sämtliche Outputs. Nicht von ungefähr heißt es z.B. im kürzlich vom Senat der Universität verabschiedeten „Multimedia-Leitbild“: „Dem multimedialen Lehren und Lernen wird (..) eine strategische Bedeutung zugestanden, als Voraussetzung für nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit gesehen und von der Universität aktiv gefördert. Die dafür notwendigen Medienkompetenzen bei Lehrenden und Studierenden, kooperative und fächerübergreifende Forschungsvorhaben sowie angemessene zentrale Services werden in einem Gesamtprozess kontinuierlich entwickelt. Die Bereitstellung der entsprechenden technischen Infrastruktur ermöglicht eine nachhaltige Umsetzung dieser Strategie.“

Zusammengefasst: Die Abschaffung zentraler Dienste für die Lehrunterstützung führt insgesamt nur zu einem geringen Spareffekt. Was dem Einzelnen verzichtbar erscheint, hätte negative Auswirkungen für alle. Basisdienste wie der Einsatz einer Lernplattform, von Vorlesungsaufzeichnungen und Online-Prüfungen sowie die Information und Beratung der Lehrenden sind heute selbstverständlicher Service einer Hochschule. Und ja, das ist nicht kostenlos zu haben.

Teil 6 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5)
Illustration:  Frits Ahlefeldt (CC 2.0, by nc nd)

Digitalisierung: Wie schütze ich mein geistiges Eigentum?

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Grafik: CC by nd Dennis Skley

Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt den Urheber in seiner geistigen und persönlichen Beziehung zum Werk, etwa das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft. Dies gilt selbstverständlich auch für selbst erstellte Lehrmaterialien wie Skripte, Folien, Fotos, Video-Aufzeichnungen usw. und selbstverständlich auch für ganze Online-Kurse. Davon zu unterscheiden sind die Nutzungsrechte, die Lehrende als Urheber übertragen können, etwa an ihre Studierenden.

Im Zusammenhang mit der leichten Kopierfähigkeit digitaler Inhalte entstehen hierbei oft drei Befürchtungen: Zum einen könnten von Lehrenden erstellte Werke unberechtigt in die Hände Dritter gelangen, diese könnten zweitens unberechtigt verändert und wieder weitergegeben werden und drittens haben Lehrende bei der Erstellung der Materialien womöglich die Ausnahmeregelungen für Schulen und Hochschulen in Anspruch genommen und Werke Dritter verwendet, was aber nur innerhalb ihrer Studierendengruppe  und in einem geschützten (z.B. passwortgesicherten) Bereich, z.B. einer Lernplattform, zulässig wäre.

Grundsätzlich bestehen die Gefahren der illegalen Weitergabe geistigen Eigentums schon immer, aber tatsächlich war das Kopieren in der heutigen Zeit noch nie so einfach. Schützen kann man sich dagegen z.B. mit einer sorgfältigen Überarbeitung der eigenen Lehrmaterialien unter Einbeziehung des legalen Zitierrechtes sowie mit einer Ablage aller Unterlagen in einem passwortgeschützten Kursbereich einer Lernplattform wie Stud.IP oder ILIAS. Technisch ist z.B. auch das Kopieren der Videoaufzeichnungen erschwert, wobei aber allen klar sein muss, dass jeder technische Anti-Kopier-Schutz durch ein einfaches Abfilmen des Bildschirminhalts umgangen werden kann.
Der beste Schutz ist daher die Aufklärung der Studierenden, dass sie mit einer Kopie von Unterrichtsmaterialien und deren Weitergabe z.B. im Internet (selbst mit der guten Absicht der Unterstützung von anderen Lernenden) eine Straftat begehen, sofern diese Materialien nicht ausdrücklich dafür freigegeben sind. Ein entsprechendes Bewusstsein dafür zu entwickeln ist Teil der Medienkompetenz, die nicht erst heute zur schulischen und universitären Bildung dazugehört, aber gerade bei Studienanfängern nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann.
Ein anderer Weg, eigene Werke legal und einfach an andere weiterzugeben, ist die konsequente Kennzeichnung erstellter Lehrmaterialien als Open Educational Resources (OER) oder die Verwendung ähnlicher Lizenzmodelle.

Teil 5 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4)
Grafik: Dennis Skley, CC 2.0 by nd

Wird es mit der Digitalisierung weniger Lehrende geben?

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Chemistry Day (cc by nc Penn State)

Nein. Jeder Blended-Learning-Kurs braucht auch Lehrende für die Erstellung und Betreuung der Online- und Präsenzanteile. Gute Lehre kommt ohne Lehrende nicht aus, egal auf welcher technischen Basis sie steht. Zugegeben, wenn die klassische Vorlesung tatsächlich aus dem Ablesen eine Scriptes besteht und diese Veranstaltung nur aufgezeichnet wird, hat sie potentiell eine unbegrenzte Reichweite. Da liegt die Idee nahe, die immer gleichen, grundständigen Vorlesungen mit einer didaktisch besonders begabten Koryphäe einmal abzufilmen und dann allen Studierenden des Faches zur Verfügung zu stellen. Was technische machbar ist (und bei einschlägigen Fachbüchern durchaus die Regel ist)  muss aber nicht unbedingt zum jeweiligen Profil des Studiengangs passen. Zudem ersetzt die Vorlesung nicht den Rest des Studiums, sie nimmt in der Gesamtschau zwar eine wichtige, aber insgesamt eher kleine Rolle ein. Das Lernen findet doch eher anderswo statt.
Weniger Lehrpersonal gilt erst recht nicht für die Präsenz- oder Online-Seminare, also jenen Veranstaltungsformaten, die ohne ausreichende Betreuung gar nicht zu realisieren sind. In den Anfängen der großen xMOOC’s haben manche Online-Universitäten gerade dies vernachlässigt und mussten sich schnell korrigieren.
Auf den Personalschlüssel einer Präsenz-Hochschule hat die Digitalisierung ohnehin wenig Einfluss, hier sind andere Faktoren wie z.B. die Anzahl der Studiengänge deutlich mächtiger. Klar ist aber auch: Online-Lehre ist aufwändig und nicht voraussetzungslos. Hierfür erforderliche Haushaltsmittel werden anderswo fehlen und sind nur zu rechtfertigen, wenn damit die Qualität der Lehre tatsächlich steigt.

Foto: Penn State, CC by nc
Teil 2 der Serie „Vorurteile“ (Teil 1)