Das Ende der Linkfreiheit?

Bisherige Rechtslage

European Court of Justice - Luxembourg by Cédric Puisney | CC BY 2.0
European Court of Justice – Luxembourg by Cédric Puisney | CC BY 2.0

2014 hatte der Europäische Gerichtshof nach Vorlage durch den BGH entschieden, dass die Einbettung eines öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Webseite mittels der sog. Framing-Technik keine öffentliche Wiedergabe und damit keine Urheberrechtsverletzung darstellt (BestWater; mehr dazu hier im Blog). Kurz zuvor hatte er in einem ähnlichen Fall auf Vorlage des höchsten schwedischen Gerichts unter anderem festgestellt, dass Hyperlinks, unabhängig von ihrer Form, grundsätzlich nicht in Urheberrechte eingreifen, solange sie keine Zugriffsbarrieren umgehen (Svensson). Damals hieß es:

“Art. 3 Abs. 1 der [Urheberrechtsrichtlinie] ist dahin auszulegen, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.”

Beim BGH war dies schon seit der Paperboy-Entscheidung  2003 ständige Rechtsprechung:

“Wird ein Hyperlink zu einer Datei auf einer fremden Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk gesetzt, wird dadurch nicht in das Vervielfältigungsrecht an diesem Werk eingegriffen.”

Wer in diesen Entscheidungen einen Freibrief für das Verlinken im Internet sah, muss sich seit der neuesten Entscheidung des EuGH leider eines Besseren belehren lassen. Dieser schränkte den Grundsatz, dass Links nicht in Rechte von Urhebern eingreifen, mit seinem Urteil vom 8. September 2016 ein.

„Hyperlinker“ wusste von der Rechtswidrigkeit des Uploads

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde dem EuGH vom Obersten Gerichtshof der Niederlande eine Frage vorgelegt, die schon für den Ausgangsfall der BestWater-Entscheidung relevant war, damals aber nicht beantwortet wurde:

„Ist es von Belang, ob der „Hyperlinker“ von der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers zum Einstellen des Werks auf der […] genannten Website des Dritten und gegebenenfalls dem Umstand, dass das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde, weiß oder wissen muss?“

In diesem Fall hatte ein Online-Magazin in einem seiner Beiträge auf urheberrechtlich geschütztes Fotomaterial einer Zeitschrift verlinkt, das ohne Erlaubnis des Rechteinhabers auf einer dritten Internetplattform gehostet wurde. Der Rechteinhaber wies das Online-Magazin bereits vor der Veröffentlichung des Artikels, welcher den betreffenden Link enthielt, darauf hin, dass die Fotos widerrechtlich auf der Drittplattform gehostet wurden, und forderte dieses auf, die Fotos nicht zu verlinken. Nachdem das Material auf Betreiben des Rechteinhabers von der Drittplattform entfernt worden war, setzte das Online-Magazin (wiederum in Kenntnis des rechtswidrigen Drittangebots) einen neuen Link auf eine weitere Internetplattform, auf der dieselben geschützten Fotos zugänglich gemacht wurden.

Kenntnis und Gewinnerzielungsabsicht sind entscheidend

Der Gerichtshof zieht zur Beurteilung, ob es sich bei einer Handlung (hier dem Setzen eines Links) um eine „öffentliche Wiedergabe“ und damit um eine Rechtsverletzung handelt, drei Kriterien heran:

  • Vorsätzlichkeit des Handelns
  • Begriff der Öffentlichkeit
  • Nutzung zu Erwerbszwecken

Damit das Handeln (also: Verlinken) vorsätzlich ist, müsste der Linksetzer im Bewusstsein aller zugehörigen Umstände handeln. Er müsste also insbesondere wissen, dass das geschützte Material widerrechtlich im Internet veröffentlicht wurde. Der Gerichtshof weist in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass es für Einzelpersonen schwierig ist, festzustellen, ob der Rechteinhaber eines geschützten Werkes der Veröffentlichung im Internet ursprünglich zugestimmt hatte.

Link auf das Urteil des EuGH
Link auf das Urteil des EuGH

Hinsichtlich der Nutzung zu Erwerbszwecken, unterscheidet er zwischen dem Handeln mit und ohne Gewinnerzielungsabsicht. Für Personen, die Hyperlinks ohne Gewinnerzielungsabsicht setzen, geht er davon aus, dass diese nicht von der rechtswidrigen Veröffentlichung im Internet wussten, es sei denn diese Kenntnis ist anderweitig erwiesen. Umgekehrt erwartet er von denjenigen, die Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht setzen, weitreichende Nachforschungen und unterstellt andernfalls die Kenntnis der fehlenden Erlaubnis zur Veröffentlichung des Werkes.

In dem aktuellen Fall würde dies vermutlich bedeuten, dass das Online-Magazin die Hyperlinks rechtswidrig gesetzt hätte, da sowohl Gewinnerzielungsabsicht als auch Kenntnis der Rechtswidrigkeit in Betracht kommt. Selbst ohne weitere eigene Nachforschungen hätte das Online-Magazin durch die Unterlassungsaufforderung von der unerlaubten Bereitstellung der Fotos durch einen Dritten gewusst. Die endgültige Entscheidung muss nun unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils in den Niederlanden getroffen werden.

Ausblick für die Praxis

Für die Praxis kann man aus der EuGH-Entscheidung schlussfolgern, dass Material, das offensichtlich vom Rechteinhaber im Internet veröffentlicht wurde, z. B. weil es auf dessen eigener Internetseite, Blog oder Social Media-Auftritt zur Verfügung steht, unbedenklich verlinkt werden kann. Findet man das Material jedoch auf den Webseiten von Dritten Anbietern, kommt es auf die oben dargestellten Aspekte der Kenntnis und der Gewinnerzielungsabsicht an.

Darüber hinaus wäre es interessant, herauszufinden, ob es Fallkonstellationen gibt, in denen auch auf rechtswidrig im Internet veröffentlichtes Material trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit verlinkt werden darf. Zu denken wäre hier z. B. an die Inhalte auf Whistleblower-Plattformen.

 

Warum das E-Book-Antiquariat noch länger nicht in Sicht ist

Ebook between Paperbooks by Maximilian Schönherr (CC BY-SA 3.0)

Wer nach der UsedSoft Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2012 gehofft hatte, auch hinsichtlich der Weiterveräußerung von digital erworbenen E-Books oder Hörbüchern würde sich in der deutschen Rechtsprechung etwas bewegen, wird leider enttäuscht.

Der EuGH hatte entschieden, dass Software, auch wenn sie nicht auf physischen Datenträgern sondern im Download erworben wurde, weiterverkauft werden darf. Er hatte hier eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zwischen Software auf Datenträgern und heruntergeladener Software festgestellt. Daran anknüpfend drängt sich die Frage auf, ob nicht auch andere Dateien, die zum Download gegen Entgelt angeboten werden, ebenso durch den Käufer weiterveräußert werden dürfen. Das würde es z. B. Studierenden ermöglichen, nicht nur wie bisher üblich, Hardcopys ihrer z. T. kostenintensiven Studienliteratur an jüngere Semester weiterzugeben, sondern dies auch mit digitalen Kopien zu tun.

Gleichwohl ändert das genannte Urteil des EuGH offenbar nichts an der Rechtsauffassung deutscher Gerichte. Das OLG Hamm kommt in seinem Urteil vom 15. Mai 2014 zu dem Ergebnis, dass Verkäufer (in diesem Fall der Onlinehändler buch.de) den Weiterverkauf von digitalen E-Books untersagen dürfen.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hatte gegen den Anbieter von E-Books geklagt, weil in dessen AGB die Weiterveräußerung untersagt wurde. Die Klage war bereits in erster Instanz vor dem LG Bielefeld gescheitert, ebenso wie nun auch die Berufung vor dem OLG Hamm. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der Erschöpfungsgrundsatz (instruktiv hierzu: Immaterielle Erschöpfung – Gibt es sie nun oder nicht?), der die Weiterveräußerung von verkörperten Werken (z. B. ein Fachbuch in Papierform, ein Hörbuch auf CD) ohne Zustimmung des ursprünglichen Verkäufers ermöglicht, nicht für digitale Werke greift. Die UsedSoft Entscheidung des EuGH sei nicht übertragbar, befanden sie, da für Software andere Vorschriften gälten und Software insofern einen urheberrechtlichen Sonderfall bilde.

Das OLG Hamm folgt mit seinem Urteil einer gefestigten deutschen Rechtsprechung in diesem Feld des Urheberrechts, wonach der Urheber oder Rechteinhaber die Weiterveräußerung von Multimedia-Dateien verbieten darf.

Die Revision wurde in diesem Verfahren mit der Begründung nicht zugelassen, dass „die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern“. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde wegen Nichterreichen der Streitwertgrenze durch den VZBV zurückgezogen. Er hat aber laut irights.info mitgeteilt, dass das Thema in anderen Verfahren weiter verfolgt würde.

Interessant wäre zu untersuchen, welchen Umfang ein Markt für „gebrauchte“ digitale Bücher hätte und ob es für E-Book-Verkäufer sinnvoll wäre, ein eigenes (technisch lösbares) Angebot aufzubauen, dass den Weiterverkauf oder den Rückverkauf ermöglichen würde.

Streitfall „Nicht Kommerziell“ bei Creative Commons Lizenzen

Vor Gericht und auf hoher See...
Creative Commons a vessel ideas by opensourceway (CC BY SA)

Bekanntermaßen dürfen Werke anderer Urheber für eigene Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür eine Erlaubnis seitens des Urhebers vorliegt oder eine Ausnahmeregelung des Urhebergesetzes greift. Die Erlaubnis (auch Lizenz genannt) kann in einem individuellen Vertrag erteilt werden. In Betracht aber kommt auch die Verwendung vorformulierter Lizenzen, wie sie zum Beispiel von der Creative Commons Organisation bereitgestellt werden. Der Vorteil dieser Lizenzformate ist, dass damit gekennzeichnete Werke von jedermann unter den festgelegten Bedingungen verwendet werden dürfen.

Das @LLZ hatte in diesem Blog bereits über die Verwendung der verschiedenen Creative Commons Lizenzen und den Einsatz der CC-Suchmaschine informiert.

Unklare Bedeutung von „Nicht Kommerziell“

Während Lizenzbedingungen wie „Namensnennung“ oder „Bezeichnung der Lizenz“ noch recht eindeutig und leicht einzuhalten sind, gestaltet sich die Verwendung des NC-Moduls (NC für „non commercial“ bzw. „nicht kommerziell“) als zunehmend schwierig. Wann ist die Verwendung eines so gekennzeichneten Werkes kommerziell und wann nicht? Ist die Verwendung eines so lizenzierten Textes beispielsweise auf den Webseiten eines Hochschulinstitutes zulässig, wenn das Institut auch Einnahmen aus Drittmittelprojekten aus der freien Wirtschaft generiert? Ist der Einsatz eines mit NC gekennzeichneten Bildes im Rahmen eines E-Learning-Angebotes erlaubt, das öffentlich zugänglich ist und dadurch womöglich die Reputation der Hochschule steigert und zu höheren Studienzahlen führt?

Auch die Creative Commons Organisation ist sich dieser Schwierigkeit bewusst und hat zusammen mit Wikimedia und iRIGHTs info eine Broschüre herausgegeben, die den Einsatz der Lizenzen unter Verwendung des NC-Moduls erläutert. Dabei wird offenbar, dass NC-lizenzierte Inhalte nicht ohne Einschränkungen an Schulen und Hochschulen eingesetzt werden können, was u. a. zu dem Paradox führt, dass gerade Institutionen, die auf zusätzliche Einnahmen neben öffentlicher Förderung angewiesen sind, häufig unter NC lizenzierte Werke nicht verwenden können.

Urteil des Landgerichts Köln

Den ersten Praxistest hatten die Lizenzbedingungen im März dieses Jahres zu bestehen. Im ersten Urteil dieser Art in Deutschland hatte das Landgericht Köln zu entscheiden, ob der Einsatz eines unter CC-BY-NC lizenzierten Fotos durch Deutschlandradio auf dessen Webseite kommerziell oder nicht kommerziell ist.

Deutschlandradio hatte das betroffene Foto auf seiner Webseite als Illustration zu einem Textbeitrag öffentlich zugänglich gemacht. Werbung oder Sponsoring fanden nicht statt und der Beitrag wurde unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dennoch kam das Landgericht Köln zu dem Ergebnis, Deutschlandradio habe nicht nicht-kommerziell gehandelt, weswegen die Lizenzbedingungen nicht eingehalten wären und wodurch also keine Erlaubnis zur Verwendung des Fotos vorgelegen hätte.

Das Urteil wird kritisiert (siehe z. B. Netzpolitik.org, Internet-Law), da sich das Gericht bei der Auslegung des Begriffs „nicht kommerziell“ ausschließlich auf „den objektiven Erklärungswert, wie ein verständiger Dritter ihn verstehen könnte“ abstellt, ohne den Lizenztext heranzuziehen. Dort heißt es unter anderem: „Sie dürfen die in Ziffer 3 gewährten Nutzungsrechte in keiner Weise verwenden, die hauptsächlich auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine vertraglich geschuldete geldwerte Vergütung abzielt oder darauf gerichtet ist.“, was sicherlich als eine nähere Erläuterung zum Begriff „nicht kommerziell“ gesehen werden kann.

Das Gericht urteilte jedoch, dass nach dem objektiven Erklärungswert unter der Bezeichnung „nicht kommerziell“ nur eine rein private Nutzung zu verstehen sei. Ausgehend davon stellte es fest, dass die Art der Nutzung des Fotos durch Deutschlandradio (Illustration eines Beitrags auf der eigenen Webseite) die gleiche sei, die auch ein privatwirtschaftlicher Radiosender vornimmt, und daher keine rein private Nutzung.

Nach Ansicht des Gerichts kommt es also z. B. nicht auf das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht beim Verwender an oder darauf, dass der Verwender versucht, eine Vergütung zu erzielen. Entscheidender Punkt der Entscheidung des Gerichts ist vielmehr, dass die Bedeutung von „nicht kommerziell“ (entgegen der Intention der Verfasser der CC-Lizenzen) auf „rein privat“ reduziert wird. Dadurch ist der Spielraum der Formulierung derart stark eingeschränkt, dass sich kein weiterer Raum zur Auslegung ergibt. Argument für diese starke Einschränkung war, dass im Urheberrecht der Grundsatz gilt, dass im Zweifel die Rechte beim Urheber verbleiben, eine Auslegung hinsichtlich einer Übertragung weitergehender Rechte also sehr restriktiv zu handhaben sei. Offenbar waren die Formulierungen im Lizenzvertrag zu unbestimmt, als dass zweifelsfrei eine Erlaubnis zur Verwendung über rein private Zwecke hinaus zu entnehmen gewesen wäre.

Konsequenzen für die Verwendung

Wenn die Verwendung eines unter NC lizenzierten Fotos im geschilderten Kontext (ohne Werbung, Sponsoring, unentgeltlich, öffentlich-rechtlicher Sender) nicht erlaubt ist, bedeutet dies, dass die Verwendung solcher Werke im (hoch-)schulischen Kontext unterlassen werden sollte, auch wenn dies die Erstellung von Lehr-Lern-Materialien oder E-Learning-Angeboten erschwert. Auch für die Lizenzierung eigener Materialien sollte man auf das NC-Modul verzichten und ersatzweise zum Beispiel auf die Variante CC-BY-SA ausweichen, welche durch die Pflicht zur Weitergabe des Werkes und Bearbeitungen des Werkes unter denselben Bediungen die meisten komerziellen Zwecke ausschließt.

Da durch die Beklagte die Einlegung von Berufung gegen das Urteil angekündigt wurde, darf man auf den Fortgang des Verfahrens gespannt sein und auf eine genauere Beschäftigung mit den Klauseln des Lizenzvertrages in der zweiten Instanz hoffen.