Strategiepapier der KMK zur digitalen Bildung (Kommentar)

Zweifellos – Digitalisierung x.0 ist spätestens seit 2015 in aller Munde. Aber zwischen „man müsste mal“ und „jetzt legen wir los“ (@wilddueck) existieren nicht nur zwischen den Schulen und einzelnen Bundesländern, sondern auch zwischen den Hochschulen weiterhin erhebliche Unterschiede, zumeist in Abhängigkeit der jeweiligen Förderprogrammlage.

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Google Trends: Digitalisierung

Echte Eigenmittel werden noch selten dafür eingesetzt, denn erst langsam wird der strategische Nutzen deutlich. Die Erfahrung zeigt: Sobald technische und strukturelle Infrastrukturen geschaffen werden und ein Lehrender innerhalb eines Fachs positive Erfahrungen sammelt, führt dies zu einer stark wachsenden Nachfrage weiterer Lehrender.

Digitalisierung stellt in der Lehre eine Basisinnovation dar, die tatsächlich völlig neue Lehr- und Lernformen ermöglicht. Elektronische Prüfungen etwa sind die Grundvoraussetzung dafür, dass auf Basis eines konkreten Wissenstandes exakt passende Lernangebote zugeordnet werden können, was den Forderungen nach Personalisierung des Lernens viel mehr entgegen kommt, als es die gegenwärtige individuelle Lernbetreuung im realen Leben vermag. Auch elektronische Vorlesungsaufzeichnungen, von vielen als simple Direktaufzeichnungsvariante wahrgenommen, sind tatsächlich die Voraussetzung für alles weitere, von der Anreicherung dieser Videos mit Zusatzmaterialien, Quizzes und Interaktionen bis hin zur Erstellung von Lerneinheiten und deren Einbindung in adaptive Lernumgebungen. Mit Papier, Stift und vielleicht PowerPoint alleine wird das nicht gelingen.

Der vorliegende Entwurf eines Strategiepapiers der Kultusministerkonferenz zur digitalen Bildung weist den Hochschulen in ungewohnter Deutlichkeit eine Schlüsselrolle im Prozess der Digitalisierung zu, insbesondere mit Blick auf die Lehramtsausbildung. Zwar werden die Vorleistungen der Hochschulen durchaus anerkannt, aber auch die nötige Nachhaltigkeit, Langfristigkeit und damit verbundenen Investitionen angemahnt (S. 3).
Die Forderungen in sechs Handlungsbereichen umfassen alles das, was eLearning-Zentren als Ziele schon seit Jahren verfolgen und was aus Sicht der KMK als endlich wahrzunehmende Chance für eine strategische Integration vorhandenen Knowhows angesehen werden muss.

Aufgaben gibt es viele. So sind zum Beispiel im Bereich der curricularen Entwicklung (S. 13) Modulplaner z.T. noch  nicht in jedem Fall dafür sensibilisiert, dass eine elektronische Prüfung, die rechtliche Voraussetzung hat, auch als Prüfungsform in den Studienunterlagen auch aufgeführt sein muss. Für echte Blended-Learning-Arrangements oder gar didaktische Modelle des Inverted Classrooms fehlen in der Regel verbindliche Akkreditierungserfahrungen, wie diese rechtssicher verankert werden können. Es ließen sich mit der Anerkennung von z.B. extern absolvierten MOOC‘s als Studienleistung neue Impulse setzen. Eine Anerkennung  von erworbenen Badgets anderer Hochschulen , womöglich außerhalb Deutschlands…., die Liste ist lang.

Den Schwerpunkt legen die Kultusminister auf eine gleichzeitige Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Lehrenden im Bildungsbereich, um die Digitalisierung als integrativen Bestandteil des Lehrens und Lernens zu verankern (S. 14). Das Hauptziel lautet Integration (auch im Schulalltag), um so allen Lernenden digitale Praxis zu vermitteln und mit ihnen erlebbar zu gestalten. Dahinter steht die simple Erkenntnis, dass sich Medienkompetenz an den Schulen über die Lehramtsstudierenden im Laufe der Jahre zwar quasi von selbst einstellt, aber nur in verantwortungslos langen Zeiträumen. Und daraus folgt: Medienbildung darf für Lernende eben kein Zusatzfach sein, dass man belegen kann oder auch nicht. Im Kern ist Medienkompetenz eine Studienvoraussetzung, die weit über die Fähigkeit der Bedienung eines Smartphones hinausführt.

Die größte Herausforderung für Länder und Hochschulen wird es sein, in relativ kurzer Zeit die dafür notwendigen Qualifizierungs-Ressourcen (inhaltlich, personell, strukturell) bereitzustellen.
Dabei zeigt sich immer wieder, dass technische Investitionen als Grundvoraussetzung im gesamten Digitalisierungsprozess den geringsten Kostenfaktor darstellen – auch wenn es oft bereits daran scheitert. Aber man braucht halt beides, neben der technischen Basissoftware, vernetzten Campus-Management-Systemen und Campus-Connect-Lösungen auch kompetente und leistungsfähige eLearning-Zentren (S. 26).

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Grafik: CC by MindWires

Einen Ausblick auf mögliche künftige Förderprogramme des Bundes liefert das Papier gleich mit: Flexibilisierung und Individualisierung des Studienalltags, Citizen Science, eScience, Big Data und Learning Analytics dürften bei künftigen Ausschreibungen eine Rolle spielen (S. 27). Hinzu kommen vermutlich Förderungen hochschulübergreifender Kooperationen und Vernetzungen, was z.B. die Chancen gemeinsamer Studiengänge der „kleinen Fächer“ erhöht oder diese überhaupt erst ermöglicht.

Das Strategiepapier ist ein großer Wurf und in seiner Dichte für alle Hochschulen endlich ein umfassendes Programm und eine Chance jenseits der Exzellenz-Debatte. Für diese inhaltlichen Ziele die dafür notwendigen Ressourcen bereitzustellen ist eine gemeinsame Aufgabe von Hochschulen, Ländern und Bund, wie das Papier gleich zu Beginn feststellt: „Die Anforderungen in der akademischen Bildung verändern sich allerdings in einer Dynamik, die nicht mehr im Rahmen der laufenden Aufgabenerledigung zu bewältigen ist“.

Gesetz ermöglicht interaktiven Fernunterricht an schwedischen Schulen

https://www.flickr.com/photos/notbrucelee/7219422352/Wie die schwedische nationale Organisation für Fernunterricht SVERD berichtet, wird ab dem 01. Juli 2015 die schwedische Regierung den interaktiven Fernunterricht im Schulalltag gesetzlich verankern. Dabei handelt es sich um eine Unterrichtsform, welche die räumliche aber nicht die zeitliche Trennung zwischen Schüler und Lehrer erlaubt.

Bild:  „TransparencyCamp 2012 – #tcamp12 social network graph [1/2]“ von justgrimes,  CC BY

Mit Fernunterricht wird hier gemeint, dass Schüler einer Schule gemeinsam am Unterricht via Videokonferenz teilnehmen, während der Lehrer oder die Lehrerin sich an einem anderen Ort befindet. Der Fernunterricht soll durchgeführt werden, wenn es vor Ort nicht ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal gibt. Zunächst werden für eine begrenzte Anzahl an Fächer (z.B. Sprachunterricht) Fernunterricht ermöglicht. Die Übertragung auf andere Fächer wird allerdings geprüft.

Dieser Fernunterricht ist zurzeit an schwedischen Schulen zwar nicht verboten, er soll allerdings durch diese Maßnahme institutionalisiert werden.

E-Learning-Kompetenzen von Lehramtsstudierenden

Anfang des Jahres startete das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt (LISA) das Modellprojekt moodle@schule mit ca. 90 Lehrkräften aus 34 Schulen Sachsen-Anhalts. Es ist ein Nachfolgeprojekt ähnlicher Vorhaben, alle mit dem Ziel, auch im Schulunterricht die Vorteile von E-Learning zu nutzen.

Wie bei jedem Ersteinsatz einer Lernplattform steht dabei auch an den Schulen in Sachsen-Anhalt zunächst die Qualifizierung der Lehrenden als Autoren im Vordergrund, denn Erfahrungen mit einer Lernplattform liegen zumeist nicht vor. Dies erfordert viel Zeit und zusätzliche Ressourcen in der Weiterbildung, was der eigentlichen Contenterstellung vorgelagert und damit leider verloren geht.

Es liegt auf der Hand, dass der Einsatz von Lernplattformen an Schulen wesentlich einfacher wäre, wenn die Lehrenden bereits über entsprechende Kompetenzen verfügten, also diese am besten gleich von der Universität mitbrächten. Aber die Realität sieht derzeit leider etwas anders aus, wenn überhaupt kommen Lehramtsstudierende derzeit mit einer Lernplattform höchstens als studentische Nutzer in Berührung, nicht aber als Autoren.

Dass es auch anders geht zeigte kürzlich ein Seminar am Germanistischen Institut unter Leitung von Dr. Jörg Wagner (Blogartikel). In diesem als Pilotprojekt konzipierten Blogseminar erstellten Lehramtsstudierende Kursmaterial zum Erlernen grammatikalischer Grundlagen im Deutschunterricht einer Schule, schlüpften also bereits im Vorfeld in ihre künftige Rolle als Lehrende. Und das kam bei den Studierenden sehr gut an, wenngleich in der sehr kurzen Zeit keine vollständigen Lernbausteine erstellt werden konnten. Ein solches Projekt ruft aber förmlich nach Kontinuität.

Blogseminar

Derzeit jedoch ist dieses Projekt im universitären Umfeld eine Ausnahme und mit Blick auf die Gesamtzahl der Lehramtsstudierenden ein Tropfen auf den heißen Stein. Es fehlt eine kontinuierliche, breite und gezielte Kompetenzschulung, die an konkreten Praxisanforderungen der Schulen ausgerichtet ist. Dies betrifft neben der Autorenkompetenz (Über welche didaktischen Möglichkeiten verfügt eine Lernplattform? Wie konzipiere ich Selbstlerneinheiten? Wie erstelle ich Inhalte? Wie arbeite ich mit Moodle?) auch Kompetenzen im Urheberrecht oder etwa Grundlagen von E-Assessment.

Für diesen Kompetenzerwerb der Lehramtsstudierenden muss man das Curriculum nicht vollständig umbauen, aber vielleicht ergänzen. Ob zusätzliche Schlüsselqualifikationen der ideale Weg sind, bleibt zu prüfen, aber es wäre ein (relativ schnell zu realisierender) Anfang. Passt es da nicht gut, dass das BMBF gerade die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ startet? Und dass an der MLU seit knapp einem Jahr das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen genau diese Kompetenzen aufbaut?
Was jetzt noch fehlt, ist eigentlich nur der Wille, es anzugehen.