Verbraucherschutz im Urheberrecht – eine Podiumsdiskussion an der Uni Halle

icon_rechtlichesAm 6. Mai 2014 fand im Hallischen Saal eine Podiumsdiskussion zum Thema „Verbraucherschutz im Urheberrecht“ statt. Zu diesem sehr aktuellen – und als „Verbraucher“ urheberrechtlich geschützter Werke auch alle Lehrenden betreffenden – Thema tauschten sich  Prof. Dr. Angela Kolb (Ministerin für Justiz und Gleichstellung LSA), Prof. Dr. Malte Stieper (Inhaber der Gundling-Professur für Urheberrecht der MLU), Dr. Wolfgang Grubert (Vors. Richter am Landgericht Halle), Dr. Till Kreutzer (Rechtsanwalt und Redaktionsleiter der Informationsplattform iRights.info ) und Thomas Ternes (Künstlermanager und Fotograf) aus. Inhaltlich schlugen die Diskutanten einen Bogen von der ursprünglichen Konzeption des Urheberrechts über die aktuelle Problematik hin zu möglichen Lösungsansätzen und Prognosen für die Zukunft des Urheberrechts.

Ausgangslage

Prof. Stieper zufolge hatte das Urheberrechtsgesetz bei seiner Verabschiedung im Jahr 1965 den Verbraucher nicht als Beteiligten im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken angesehen. Die Regelungstatbestände knüpften an technische Verwertungshandlungen (z. B. Veröffentlichen, Vervielfältigen, Ausstellen) an, von denen der Verbraucher vor der Entstehung des Internets fast völlig ausgeschlossen war. Dies änderte sich im digitalen Zeitalter, da nun jeder Verbraucher allein durch das Surfen im Internet eine Vielzahl von Verwertungshandlungen im Sinne des Urheberrechts vornimmt, da z. B. durch das Anzeigen einer Grafik auf dem eigenen PC-Bildschirm eine Kopie dieser Grafik im Arbeitsspeicher hergestellt wird. Dabei handelt es sich um eine Vervielfältigung im rechtlichen Sinne. Selbst wenn man offensichtlich illegale Downloads von Raubkopien außer Acht lässt, kommt heute jeder Internetnutzer ständig mit dem Urheberrecht in Berührung. An diesem Beispiel werden auch die Grenzen der „historischen“ gesetzlichen Regelungen deutlich.

Frau Ministerin Kolb verwies darauf, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2013 vorgenommen hat, das Urheberrecht zu reformieren und an die Nutzung im digitalen Zeitalter anzupassen, um für die Zukunft klare Regeln gerade auch für Verbraucher zu schaffen.

Problematik und mögliche LösungenUrhG01_DSC_0854

Die besondere Problematik des aktuell gültigen Urheberrechts wurde von Dr. Kreutzer deutlich gemacht, als er es wegen seiner Komplexität als nicht vermittelbar und unfair bezeichnete. Er ging darauf ein, dass die Nutzer, selbst ohne in schlechter Absicht zu handeln, gar nicht umhin kämen, das Urheberrecht zu verletzen. Als Beispiel nannte er Hochschullehrende, die Illustrationen in ihren Veranstaltungen verwenden wollten, dies aber nach geltendem Recht nicht dürften, ohne für das entsprechende Material eine Lizenz zu erwerben. Für Privatnutzer sei das existierende System des Urheberrechts ungeeignet.

Vorschläge für die Auflösung dieses Konflikts zwischen einfacheren, für den Verbraucher verständlicheren Regelungen und dem Schutz der kreativen Leistung sind rar. Der Gedanke, das Urheberrechtsgesetz so weit zu vereinfachen, dass es einer Urheberrechts-StVO ähnele, für die jeder Verbraucher einen Führerschein machen könne, wurde von allen an der Diskussion Beteiligten als unrealistisch eingeschätzt. Die Situation wird dadurch verkompliziert, wie Prof. Stieper anmerkte, dass auch europäisches Recht und die Entscheidungen des EuGH zu berücksichtigen seien, die sich in der Struktur deutlich vom deutschen Urheberrecht unterscheiden.

Der Vorschlag, ein sog. Micro-Licencing einzuführen, mit Hilfe dessen jederzeit und auf einfache Art und Weise bei einer zentralen Stelle die Lizenz zur Verwendung von Bildern, Texten, Musik und anderen digitalen Inhalten erworben werden könne, ohne den Urheber ausfindig machen zu müssen, stieß auf Skepsis, da sich hier ähnliche Durchsetzungsprobleme entwickeln würden wie in der aktuellen Situation. Es sei schließlich nicht sicher, dass tatsächlich jeder Verwender vorab eine Lizenz erwerben würde.

Ein dritter Vorschlag, der auch von Frau Ministerin Kolb unterstützt wird, ist die sog. Kulturflatrate. Dieses Modell sieht vor, dass jeder Bürger eine Pauschale zahlt, deren Erträge unter den Kreativen, also denjenigen, die urheberrechtlich geschützte Werke erschaffen, aufgeteilt wird, und so auf die Einzellizenzierung von digitalen Inhalten zum privaten Gebrauch verzichtet werden kann. Das Modell zeichnet sich zwar durch Einfachheit aus, wurde jedoch von Prof. Stieper und Dr. Kreutzer als unbefriedigende Lösung bezeichnet.

Herr Ternes warf aus der Perspektive der Künstler ein, dass die (in Hinblick auf die Verwertungskette und Mittelsmänner wie GEMA und Verlage zusätzlich) komplizierte Situation auch als Chance genutzt werden könne, da sich Qualität durchsetze und die Menschen bereit wären, dafür zu zahlen. Er setzte darauf, dass die Kreativen neue Wege fänden, ihre Werke zu vermarkten.

Prognose

(Photo „Glaskugel“ by Christian Schnettelker, licenced under cc by)

Abschließend um eine Prognose für das Urheberrecht in zehn Jahren gebeten, meinte Prof. Stieper, dass langfristig gesehen ein pan-europäisches Urheberrecht an die Stelle des nationalen Rechts treten würde und dass dieses aufgrund verschiedener Strömungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten vermutlich anders aussähe als unser heutiges Urheberrecht. Er unterstrich, dass es erweiterte Nutzungsrechte, insbesondere auch für den Bereich Wissenschaft und Forschung geben werde. Dr. Kreutzer vermutete, dass die Kulturflatrate in Zukunft Realität sein wird, da eine Alternative dazu fehle. Frau Ministerin Kolb gab zum Abschuss zu bedenken, dass die Zusammenführung nationaler Traditionen nicht immer der Weisheit letzter Schluss sei und forderte insbesondere die anwesenden Studierenden auf, komplett neu zu denken, und eventuell eine Lösung zu finden, die aktuell noch nicht gesehen wurde.

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