Vorlesungsaufzeichnungen – fünf Fragen, fünf Antworten

Seit einiger Zeit lassen Lehrende Mitschnitte ihrer Vorlesungen/Seminare erstellen, um sie Studierenden als Ergänzungsangebot zur Präsenzlehre anzubieten. Einige Akteure stellen sich die Frage nach dem Mehrwert dieser Aufnahmen. In diesem Blogbeitrag werden fünf Fragestellungen mit Ergebnissen aus verschiedenen Studien versucht zu beantworten.

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1. Bleiben die Studierenden der Vorlesung fern?

Viele Lehrende vermuten einen Rückgang der Hörer in Präsenzveranstaltungen durch den Einsatz der Vorlesungsaufzeichnungen. In der Umfrage an der MLU stimmten nur 17,3 % der befragten Studierenden der Aussage zu oder völlig zu: „Ich sehe mir die Vorlesungsvideos an, statt die Veranstaltung zu besuchen“. Dieses Ergebnis stimmt mit den Befragungsergebnissen anderer Hochschulen überein.

FAZIT: Die Ergebnisse verschiedener Studien deuten darauf hin, dass die Hörerzahlen zwar etwas zurückgehen, aber ein breites Wegbleiben der Studierenden nicht zu befürchten ist (Tillmann/Bremer/Krömker, 2012).

2. Sind Nutzertypen erkennbar?

Die Ergebnisse verschiedener Befragungen (MLU, 2013; Rust/Krüger, 2011) deuten auf drei Nutzertypen hin:

  • 28% der Probanden an der MLU waren im SoSe 2013 „Non-Users“, da sie das Angebot, Vorlesungsaufzeichnungen anzusehen, nicht wahrnahmen.
  • 40% der Probanden lassen sich unter „Occasional-Users“ zusammenfassen. Sie gehen zur Vorlesung und nutzen gelegentlich Vorlesungsaufzeichnung.
  • 32% gaben an, häufiger die Vorlesungsaufzeichnung anzusehen. Somit gehören sie zur Gruppe der „Intensiv-Users“.

 3. Haben Vorlesungsaufzeichnungen eine lernförderliche Wirkung auf Studierende?

In der Studie von Rust/Krüger (2011) haben 92,7% der Studierenden (n=468) der Aussage zugestimmt: „die Aufzeichnung der Lehrveranstaltung unterstützte mich beim Lernen.“ Die Studierende der MLU (2013) haben als Motive insbesondere das individuelle Lernen, die Heterogenitätsmerkmale und die Motivation hervorgehoben.

4. Hat das Veranstaltungskonzept eine Auswirkung auf die quantitative Nutzung der Vorlesungsaufzeichnungen?

Rust/Krüger (2011) haben eine LOG-FILE-Analyse (Auswertung der Serverdaten) an Vorlesungen mit unterschiedlichen Konzepten durchgeführt.

  • Veranstaltungen mit einer formativen Studienleistung (z.B. Vorlesung mit obligatorischen Anteilen) verzeichneten eine steigende Anzahl der Abrufe eines Videos immer vor einer obligatorischen Hausaufgabe.
  • Dagegen wurde eine ansteigende Nutzung der Videos bei einer Veranstaltung mit summativer Studienleistung erst zum Semesterende gemessen. Dieses deutet auf einen Anstieg der Nutzung in der Prüfungszeit hin.

FAZIT: Vorlesungsaufzeichungen generieren nicht für jedes Lehrveranstaltungskonzept den gleichen Mehrwert.

 5. Haben Vorlesungsaufzeichnungen Auswirkungen auf den Vortrags- und Lehrstil?

Einige Lehrende haben Bedenken, dass sich ihr Vorlesungsstil durch die Aufzeichnungen verändert. Diese Situation konnte weder in der MLU Studie (2013) noch in der Rust/Krüger-Studie (2011) bestätigt werden. Rust/Krüger konnten in Interviews herausfinden, dass Lehrende über Kleidungsstil, Gestik/Mimik und Folien bei der Vorlesungsaufzeichnung nachdenken (2011).

 

Literatur

Rust, I., Krüger, M. (2011): Der Mehrwert von Vorlesungsaufzeichnungen als Ergänzungsangebot zur Präsenzlehre. In: Köhler, T., Neumann, J. (Hrsg.) Wissensgemeinschaften. Digitale Medien – Öffnung und Offenheit in Forschung und Lehre. Waxmann Verlag, Münster.

Tillmann, A., Bremer, C., Krömker, D. (2012): Einsatz von E-Lectures als Ergänzungsangebot zur Präsenzlehre. Evaluationsergebnisse eines mehrperspektivischen Ansatzes. In: G. Csanyi, F. Reichl, A. Steiner (Hrsg.): Digitale Medien –Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre. Waxmann Verlag, Münster.

 

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