von Dr. Sebastian Pfau
(Dep. Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)
„Keine Bildung ohne Medien“ – So lautet der Name einer Initiative, die eine systematische und nachhaltige Verankerung von Medienpädagogik in allen Bildungsbereichen der Gesellschaft anstrebt. Die Initiative kritisiert
„…eine große Diskrepanz zwischen allgemeinen Proklamationen in Regierungserklärungen (»Medienkompetenz ist eine zentrale Schlüsselkompetenz«) und der medienpädagogischen Praxis in den meisten Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, der Eltern- und Familienbildung, in Schulen und Hochschulen, der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Erwachsenen- und Seniorenbildung.“ (Keine Bildung ohne Medien! Bildungspolitische Forderungen. Medienpädagogischer Kongress 2011, S. 4)
Nach einer langjährigen Diskussion wurde im September 2010 im Landtag Sachsen-Anhalt ein Beschluss gefasst, in dem Medienkompetenz zu einer „unverzichtbaren Schlüsselqualifikation“ erklärt wird. Das Parlament war sich darüber einig, dass man es sich in Sachsen-Anhalt nicht leisten könne, „…auch nur ein Kind auf dem Weg in die digitale Zukunft zurückzulassen“ (Plenarprotokoll 5/80, S. 5258).
Die Einschätzung des Landtages Sachsen-Anhalt deckt sich mit vielen weitern bundesweiten Initiativen und den Aktivitäten anderer Länder. Auch länderübergreifend und auf der Bundesebene findet diese Debatte statt. In einer Bundestagsdebatte am 26. März 2015 herrschte parteiübergreifender Konsens, dass in der Lehrerbildung die Vermittlung von Medienkompetenz unerlässlich sei. Es könnten zahlreiche weitere Initiativen angeführt werden, die ähnliche Argumente anführen.
Der Blick in den Schulalltag sieht stattdessen so aus: Viele Schüler werden bis zum Abitur nicht ein einziges Mal ernsthaft mit Medienbildung konfrontiert. Auch wenn es hier rühmliche Ausnahmen gibt, ändert das nichts an der Tatsache, dass die Vermittlung von Medienkompetenz nicht systematisch in die schulische Bildung integriert ist. Medienkompetenz wird hier nicht so verstanden, dass Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, die Bedienung neuer Geräte zu verstehen. Im Gegenteil: Hier sind sie den Lehrern häufig sogar überlegen. Vielmehr geht es um das Lernen mit Medien und das Lernen über Medien. Die internationale repräsentative Bildungsstudie ICILS (International Computer and Information Literacy Studiy) zeigte, dass Achtklässler in Deutschland beim Umgang mit neuen Medien nur im Mittelfeld liegen. In der Schule werden neue Medien im Unterricht nur selten eingesetzt, heißt es weiterhin.
Um diese Defizite zu beseitigen ist es unumgänglich, neues Lernen mit und über Medien bereits in der ersten Phase der Lehrerausbildung fest zu verankern. Und das gilt für alle Bereiche der Lehramtsstudiengänge, seien es nun MINT-Fächer, gesellschaftswissenschaftliche Fächer, Fremdsprachen oder musisch-künstlerische Fächer. Ein eigenes Schulfach Medien wäre hier sicher der beste Weg, nur ist dieses Ziel allenfalls mittelfristig durchzusetzen. Zu stark sind die Vorbehalte gegen ein zusätzliches Fach. Häufigstes Argument: Ein weiteres Schulfach passt nicht in die Stundentafel. Eines besseren belehrt uns hier das Land Baden-Württemberg, hier gibt es die Einführung des Schulfachs Wirtschaft bereits ab Herbst 2016 Jahres an allen weiterführenden Schulen.
Im Sommer 2012 gründete sich im Netzwerk Medienkompetenz Sachsen-Anhalt die Unterarbeitsgruppe Medienkompetenz in der Lehrerbildung. Ziel dieser Unterarbeitsgruppe ist es, die oben angesprochenen Defizite zu beseitigen und eine systematische Medienbildung bereits in der ersten Phase der Lehrerbildung fest zu verankern. Im Februar 2013 legte die Arbeitsgruppe im Landtagsausschuss Kultur und Bildung ein Planungspapier vor, dass ein dreistufiges Konzept enthielt.
In einer ersten Stufe sollte Medienbildung verbindlich fächerübergreifend und fachintegrativ in den Lehrplänen aller Schulformen und Fächer verankert werden. Die bereits im Beruf befindlichen Lehrerinnen und Lehrer sollten sich entsprechend qualifizieren und sich so die erforderliche Medienkompetenz aneignen. Hierzu sollten entsprechende staatliche Fort- und Weiterbildungsangebote systematisch ausgebaut werden. Die Schulen sollten – nach thematischer und methodischer Abstimmung zwischen den Fächern – ein Mediencurriculum erarbeiten, das alle Fächer nach ihren Spezifika berücksichtigt.
Gleichzeitig sollte im universitären Studium für alle Lehrämter an allgemeinbildenden Schulen ein Pflichtmodul zur Medienkompetenz/ Medienkunde als sogenanntes LSQ eingeführt werden.
In einer zweiten – ebenfalls kurzfristig durchzuführenden Stufe – sollte die MLU einen Ergänzungsstudiengang „Neues Lernen mit und über Medien“ anbieten.
Angesichts der zunehmenden Komplexität der Medienwelt sollte in einer dritten – mittelfristig durchzuführenden – Stufe der systematische Erwerb von Medienkompetenz in einem eigenen Pflichtfach an allen allgemeinbildenden Schulen eingeführt werden. Hierzu müsste an der MLU ein eigenes universitärer Lehramtsstudiengang mit geeigneten Fächerkombinationen konzipiert und eingeführt werden.
Insgesamt stieß die Gruppe sowohl innerhalb der Universität als auch bei Vertretern der Landespolitik auf großes Gehör. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die sich Verwirklichung eines eigenen Schulfaches als schwierig erweist. Die am schnellsten umzusetzende Lösung schien aus verschiedenen Gründen der Ergänzungsstudiengang zu sein. In ihm können werdende Lehrerinnen und Lehrer in insgesamt sechs Modulen eine Zusatzqualifikation erlangen, die dann in den Schulen als Wahlpflichtfach (ähnlich wie Astronomie oder Psychologie) angeboten wird. Folgende Module sollen Bestandteil des Ergänzungsstudienganges sein: „Medienanalyse und Medienbewertung“, „Medienwirkung und Mediennutzung“, „Mediendidaktik“, „Medienethik und Medienrecht“, „Sozialisation in modernen Medienwelten“ sowie „Pädagogische Medienpraxis“
Die rasante Medienentwicklung der letzten Jahre und die Stagnation ihrer Integration in Schule, Unterricht und Lehrerbildung machen es dringend erforderlich, das Thema Medienbildung entschlossen und zukunftsweisend anzupacken. Nachdem die Landespolitik die Lehramtsausbildung für allgemeinbildende Schulformen in Halle konzentriert hat, sind die Voraussetzungen im Ländervergleich dafür sehr gut.
- Ein solches Angebot ist bislang bundesweit einzigartig und stützt die Profilbildung der Martin-Luther-Universität.
- Können Studierende ihr eigenes Portfolio gezielt durch diesen Schwerpunkt erweitern, um im Markt der Absolventen für Schulen attraktiv zu sein.
(Dieser Beitrag von Dr. Sebastian Pfau basiert auf einem Vortrag vom 17.11.2015, anlässlich des Open@LLZ #7; Foto: LLZ)
Ein Gedanke zu „Medienbildung im Lehramtsstudium (Gastbeitrag)“