ein Artikel von Maike Küper, Studierende der Interkulturellen Europa- und Amerikastudien und studentische Hilfskraft am @LLZ
Derzeit ist der große Trend E-Learning in aller Munde, und das ist vollkommen nachvollziehbar. Die Versprechungen klingen fast zu gut, um wahr zu sein: Wir können immer und überall alles lernen, können Geschichtsvorlesungen aus Harvard und Mathematikvorlesungen vom MIT hören, uns mit Serious Games in die Welt der Mediziner hinein versetzen und bei Youtube ein paar Brocken jeder Sprache lernen, die uns einfällt. Die kritische Frage, die sich jedoch stellt ist: Tun wir das auch? Haben wir wirklich die Motivation und die Disziplin, uns ernsthaft mit diesen Themen zu beschäftigen, statt nur fünf Minuten in eine Online-Vorlesung zu schauen, um einmal einen Professor einer amerikanischen Elite-Universität live zu erleben?
Da ich mich genau dabei oft genug ertappt habe, entstand die Idee zu diesem Artikel. Bei einer Unterhaltung mit Freunden, die Ingenieurswissenschaften studieren, fiel mir zum wiederholten Male auf, dass meine Kenntnisse in Physik doch beschränkter sind, als mir lieb ist. Dies wollte ich ändern. Ich durchforstete also das Internet nach einem Kurs, der einem interessierten, aber nicht unbedingt naturwissenschaftlich geneigten Menschen wie mir einen Einstieg in das Thema bot, der sowohl lehrreich als auch zumindest ein bisschen unterhaltsam sein sollte.
Bei der Suche nach einem Online-Physik-Kurs standen mir verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Da ich die Entwicklung von Online-Vorlesungen einiger amerikanischer Universitäten vor ein paar Jahren ein wenig verfolgt und allgemein das Gefühl habe, dass die anglophonen Länder beim E-Learning schon etwas weiter sind, suchte ich nach englischsprachigen Angeboten und hatte bei meinen Anforderungen einiges schnell aussortiert. Ich suchte nicht nach einer Präsenz-Veranstaltung, die einfach aufgenommen und ins Internet gestellt worden war. Stattdessen stellte ich mir einen interaktiven Kurs vor, der mich nicht unbedingt an meine eigenen Lehrveranstaltungen erinnern sollte – schließlich ging es hier um meine Freizeit. Darüber hinaus war es mir wichtig, ein flexibles Angebot zu finden, das ich jederzeit unterbrechen konnte, aber trotzdem eine hohe Qualität bot und natürlich nichts kosten sollte. Die Plattform Coursera, die mir wegen ihrer großen Auswahl an Online-Kursen in den verschiedensten Fächern schon bekannt war, stellt aber zum Beispiel nur Kurse in festen Zeiträumen zur Verfügung. Als ich den Kurs „Introduction to Physics“ auf der Plattform Udacity fand, war er mir direkt sympathisch: Er erschien mir sehr unkompliziert und trotzdem gut strukturiert, so dass ich beschloss, ihn auszuprobieren.
Udacity wurde erst 2012 gegründet, unter anderem von dem Deutschen Sebastian Thrun, der bis 2011 an der Stanford University lehrte, sich dann aber wegen anderer Projekte von der Lehrtätigkeit befreien ließ. Zurzeit sind die Kurse vor allem aus den Bereichen Mathematik, Informatik und Statistik, weitere sollen aber folgen. Eine Besonderheit von Udacity ist (bislang) die Unabhängigkeit von Universitäten. Die Videos und Aufgaben werden eigens von den Dozenten für die Online-Lehre erstellt, so dass die Art und Weise der Stoffvermittlung perfekt an das „Medium“ Internet angepasst ist, was für mich ein entscheidender Faktor für die hohe Qualität dieses Kurses ist.
Bei dem Physik-Kurs meiner Wahl handelt es sich um einen Einführungskurs, in dem in kurzweiligen Videos anhand der Frage, wie man seit dem antiken Griechenland versucht hat, den Erdumfang zu berechnen, die Entwicklung der Physik und einige wichtige mathematische Grundlagen erläutert werden. Der Dozent ist ein Absolvent des renommierten MIT, wenig älter als ich, der mit spürbarer Begeisterung Laien im World Wide Web die physikalischen Grundlagen beibringen möchte.
Schon das erste Video zeigt, dass man es hier nicht mit einer „normalen“ Online-Vorlesung zu tun hat, geschweige denn einem konventionellen Physik-Kurs in der Schule. Der Dozent Andy Brown kniet auf einer Wiese, kündigt die Reiseroute an, die den Kurs begleiten wird, und beruhigt erst einmal alle Zuhörenden, dass sie sich wegen des mathematischen Anspruchs keine Sorgen machen sollen. Und kurzweilig geht es weiter: Der Dozent gibt zunächst einen kurzen historischen Überblick über das Wissen der Griechen und wie sich die Suche nach der Lösung der Erdumfangsberechnung über die Jahre hinweg entwickelte. Anhand dieses Beispiels zeigt der Dozent die verschiedenen mathematischen Ansätze auf, die sich dem Ergebnis immer weiter annäherten. Nach ungefähr 10 Videos, also ca. 10 Minuten, wird es dann mathematisch.
Ergänzend zu den Videos gibt es ein Forum, in dem die Teilnehmer Fragen stellen können, die meist recht schnell entweder von einem Kommilitonen oder dem Dozenten selbst beantwortet werden. So fühlt man sich schnell als Teil einer internationalen Gemeinschaft, was die Lernerfahrung zusätzlich bereichert.
¹Bilder mit freundlicher Genehmigung von Udacity.com